Ja das war mein erster Marathon. Aber nun schön der Reihe nach. Donnerstag war ich noch nicht so nervös, Freitag aber um das mehrfache. Viele Fragen die mir schon früher immer durch den Kopf gingen, die gingen jetzt noch viel intensiver durch den Kopf. Warum machst Du das? Habe ich richtig und genügend trainiert? War das trainieren ohne Trainingsplan und alles individuell richtig? Was soll ich noch essen, was soll ich nicht essen, was soll ich am Samstag zum Frühstück essen? Was für Kleider brauche ich? Denn ich mag nicht kalt haben und bei Regen hätte mich das ganze so oder so „angeschissen“.
Früh war ich am Freitag im Bett. Habe schlecht geschlafen und hatte in der Nacht zwei kurze Anzeichen von Krämpfen in den Waden. So war ich am Samstag, schon früh wach und immer noch nervös. Um 6.20 bestieg ich in Hindelbank den Zug. Mit einem „normalen“ Frühstück mit Ruchbrot, Konfi und einen Früchtesmoothy und Kaffee im Bauch. In Bern traf ich meine Kollegin und wir fuhren zügig mit dem Zug Richtung Interlaken. Wir waren ja nicht die einzigen… Vom Bahnhof Richtung Festzelt zur Startnummerausgabe. Es hatte sehr viele Leute. Zuaschauer, Läufer, Betröuer und die obligatorischen Turisten. Eigentlich bevorzuge ich das Joggen alleine in der Natur. Was mache ich heute da? Irgendwie im falschen Film. Aber das wusste ich ja. Das nervöse wich nun der Spannung. Gopf lässt uns endlich starten. Ich will los.
Pünktlich um 9h startet das Läuferfeld mit ein paar gewaltigen Böllerknaller, so damit der ganze Kanton nun wusste dass wir jetzt starten. Endlich noch so langer Vorbereitung und nach so vielen Gedanken im Kopf. Jetzt heisst es abschalten und die tolle Stimmung geniessen und „gemütlich“ den Läuferfeld nachrennen. Schon bald waren die ersten Kilometer um Interlaken und Unterseen geschafft und der Tross lief Richtung Wilderswil. Der Rythmus war gut. Die Stimmung in Wilderswil war schon mal Hühnerhaut pur. Treicheln, Musik, klatschendes Publikum und Flutsch waren wir schon im ersten kleinen Aufstieg. Es wurde wieder ruhiger. Ich fühlte mich gut. Ich lief problemlos in meinem Rythmus. Zwar eher etwas langsamer und noch mit meiner Kollegin zusammen. Vor Zweilütschinen stürzte noch ein Läufer vor mir. Ich konnte knapp ausweichen. Auch dies gibt es leider, so wie auch einen unvorhergesehenen Stop in Zweilütschinen, um dem Zug Richtung Grindelwald die Durchfahrt zu geben. An den Verpflegungsposten „genoss“ ich isotonische Getränke aber jedesmal wenn es auch hatte eine Bouillon. Ein Energystengel da und eine Banane dort. Weiter ging es in der Einerkolonne Richtung Lauterbrunnen. Teilweise war es eng und es staute kurz. Easy, es geht ja noch weit. Meine Kollegin hatte ich nach Kilometer 16 verloren. Ich lief mein Rennen. Plötzlich lief bzw. schwebte ich schon durch Lauterbrunnen. Die Stimmung dort war grandios. Ich hatte das Gefühl, dass ich durch Lauterbrunnen durchgetragen wurde. Kurz nach Lauterbrunnen kam die Halbmarathongrenze. Da ich ohne Uhr, Pulsmesser und so laufte, war dies meine erste Zeitkontrolle. Ich war gut im Schuss, jedoch kam ja die eigentliche Herausforderung, die Steigung, noch. Immer noch keine Probleme beim laufen. Ach so, mit der Achillessehne kämpfte ich ja während der Vorbereitung. Kurzer Check. Ich spürte keine Schmerzen. In der Zusatzschlaufe, bei der Steelband kurz noch die eine Spielerin gegrüsst die ich kannte, und schon gings wieder zurück nach Lauterbrunnen. So, jetzt geht es bald nur noch aufwärts. Uiii was erwartet mich jetzt. Und rumms, der Aufstieg war bei Kilometer 26 vor mir. Laufen war angesagt. Ich konnte bei diesem Aufstieg viele Plätze gutmachen. Das wandern und klettern in den Bergen zeigte sich als gutes Training und ich war sehr gut unterwegs. So cool. Ich hatte echt Freude. Immer wieder überholte ich Läufer um Läufer und oben vor Wengen wo es weniger steil wurde konnte ich wieder in den Laufschritt wechseln. Bei KM30 wusste ich, dass ich den Marathon schaffen werde. Ich fühlte mich grossartig und hatte bis dahin keine Beschwerden. Glücksgefühle beflügelten mich. Wieder eine megatolle und laute Stimmung durch Wengen. Schnell waren die Schlaufen in und um Wengen hinter mir. Weiter Richtung Allmend. Ein Mix aus joggen und schnellem laufen. Das Coca Cola auf der Allmend kam wie gerufen. Zwei Becher, bisschen Wasser und weiter durch den Wald Richtung Wixi. Die Kilometer wurden immer länger und die gelben Psychokilometerschilder die alle 250m standen halfen nicht wirklich um zügig vorwärts zu kommen. Plötzlich neben mir ein Deutscher den wir im Zugabteil kennengelehrnt hatten. Wir liefen, joggten und quatschten viel bis zum Wixi und dem Start zum Endaufstieg. Die Zwischenzeituhr dort zeigte 4h25min. Wow dachte ich. Für die letzten paar Kilometer sollte dies doch noch reichen für eine Zeit knapp unter 5h. Das wäre ja der Hammer… Nochmals Wasser tanken und dann bergauf. Eine einmalige Bergkulisse, perfektes Wetter. Ein Genuss. Bei den Fahnenschwinger vorbei, bei den Alphornbläser und beim Dudelsackspieler. Das ganze in der Einerkolone. Meine Beine waren besser als das Tempo von der Kolone. Zwischendurch konnte ich auf einem Nebenweg noch der eine oder andere überholen. Jedoch war ein grosses Überholen nicht mehr möglich was vielleicht auch besser war, da ich mich wohl verbrannt hätte. Ausstieg von der Moräne über den Schoggipass. Dankbar noch Schoggi tanken und noch knappe 2km abwärts ins Ziel. Ich lies es abwärts noch rauschen. Vor mir auch ein Läufer der noch Saft hatte. Dieser rief den anderen Läufer immer zu „Achtung ich komme links“. Und ich folgte Ihm im Windschatten. Hier das Ziel. Das Ziel vom Jungfraumarathon. Das Ziel des Jahres für mich. Die Uhr blieb bei 5h und 6min stehen. Ich war und ich bin megastolz. Eine Zeit die ich persönlich für nicht möglich hielt. Und ich hatte keine Probleme beim laufen. Weder mit Krämpfen, Magen oder weiss ich was. Ein tolles Feeling. Super Wetter, eine 1a Organisation. Schlichtweg ein wunderschöner Lauf und ein perfekter Tag. Nachdem ein paar Bierchen gekillt waren und dem duschen und austauschen mit anderen glücklichen Läufer, bestieg ich den Zug wieder Richtung Bern. Mit einem guten Nachtessen rundete ich diesen perfekten, anstrengenden aber unvergesslichen Tag ab. Gopf das macht süchtig…